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Künstliche Intelligenz in der Angeboterstellung

Etablierte Prozesse lassen sich durch Systeme beschleunigen und die Daten automatisch strukturieren und erfassen.
adesso SE | 01.07.2022
Angebotsprozess: Diese Darstellung bietet einen Gesamtüberblick über den Prozess, die mit ihm je Phase verbundenen internen sowie externen Daten und seine möglichen Potenziale © adesso SE
 

Fachbeitrag von Enrico Goldschmidt (Junior Proposal Manager) und Björn Ketels (Principal Proposal Manager) bei der adesso SE.

 

1. Einleitung

Bei der Bearbeitung von Ausschreibungen und der Erstellung von Angeboten stehen Unternehmen immer wieder vor den gleichen Herausforderungen, beispielsweise das Treffen einer fundier­ten, objektiven Bid/No Bid-Entscheidung, das Staffing des Angebotsteams, die Prüfung der Ausschrei­bungsunterlagen und das Recherchieren nach passenden Texten. All diese Auf­gaben sind zeitintensiv und erfolgen häufig parallel zum eigentlichen Kerngeschäft. An dieser Stelle könnte Künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft ein entscheidender Faktor sein, um bestimmte Aufgaben zu automatisieren oder für die Angebotsbeteiligten zu erleich­tern und folglich Ressourcen zu sparen.

Welche Möglichkeiten KI in der Angebotserstellung bietet, wird in diesem Artikel näher beleuchtet. Der Fokus liegt auf denkbaren Einsatzmöglichkeiten etablierter KI-Techniken als auch bereits am Markt bestehenden KI-Lösungen am Beispiel des Angebotsprozesses der adesso SE (adesso). Etabliert und bereits bestehend bedeutet jedoch nicht, dass diese KI-Techniken/-Lösungen 1-zu-1 für jedes Unternehmen passen und von jetzt auf gleich implementiert werden können. Für einen KI-Einsatz müssen bestimmte Voraussetzungen bestehen. Exemplarisch hierfür können umfangreiche Datenbestände genannt werden, die KI zum Lernen und zur Mustererkennung zur Verfügung stehen müssen. Dieser Artikel schildert aus diesem Grund nicht nur mögliche KI-Lösungen, sondern setzt sich mit ihren Herausforderungen auseinander und beurteilt diese abschließend.

2. KI-Potenziale in der Angebotserstellung

Betrachtet man die technischen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, mit dem Fokus auf den Aspekt der Angebotserstellung, ist es wichtig zu verstehen, dass sich die Fertigkeiten von KI-Lösungen immer auf ein enges Handlungsfeld beschränken. Ein KI-gestütztes bilddiagnostisches Verfahren zur Qualitätsprüfung ist beispielsweise so auf seinen Anwendungszweck zugeschnitten, dass es eine Katze nicht vom Eiffel­turm unterscheiden kann. KI-Lösungen können aber in einem klar definierten Kontext Ergebnisse liefern, die teilweise präziser, günstiger und schneller sind, als das was vom Menschen ge­leistet werden kann. Menschen hingegen können kreative und flexible Transferarbeiten leisten und Wissen aus Gebiet A intuitiv auf Gebiet B übertragen (Gruhn, 2020).

Künstliche Intelligenz sollte somit als Unterstützung und Erweiterung angesehen werden, die bei der richtigen Verwendung Arbeitsprozesse des Menschen optimieren kann. KI-Lösungen können dabei helfen, Teile von Prozessen zu automatisieren, Bearbeitungszeiten zu reduzieren und die Qualität zu verbessern. Bezogen auf den Aspekt der Angebotserstellung könnte KI zum Beispiel Möglichkeiten zur Analyse und Auswertung von Kundendaten und Preisen (Fiskaldaten) bieten. Nachfolgend werden verschiedene techni­sche KI-Möglichkeiten exemplarisch am Beispiel der ersten Phase des adesso-Angebotsprozesses (siehe Abbildung oben), der Verkaufschance, betrachtet.

Die Phase Verkaufschance hat zum Ziel, eingehende Anfragen einer Vorqualifizierung zu unterziehen, schnellstmöglich zu erfassen, einzuordnen, zu strukturieren und die erhaltenen Daten für die folgende Phase, die Bid/No Bid-Entscheidung, vor- bzw. aufzubereiten. Die Kriterien für einen optimalen Verlauf dieser Phase sind:

  • Schnelle, genaue, einheitliche und möglichst automatisierte Datenerfassung
  • Vorqualifizierung passgenauer Verkaufschancen und Hervorheben kritischer Faktoren und Daten

Lassen sich diese Kriterien durch den Einsatz von KI erreichen? Dieser Frage widmet sich adesso anhand definierter Use Cases.

2.1. Schnelle, genaue, einheitliche und möglichst automatisierte Datenerfassung

Die Datenerfassung kostet adesso-Mitarbeitende Zeit, die sie für ihre Kernaufgaben besser investieren können. adesso prüft deshalb, ob KI adesso-Mitarbeitende bei der Datenerfassung von Verkaufschancen unterstützen oder ihnen diese Aufgabe sogar vollständig abnehmen kann.

Use Case: adesso erhält Verkaufschancen (VKC), sprich die Möglichkeit ein Angebot abzugeben, über unterschiedliche Kanäle und in unterschiedlichen Formaten. Beispielsweise bekommt adesso VKC über Ausschreibungsportale als E-Mail und/oder PDF, direkt als E-Mail-Anfrage oder verbal in persönlichen Gesprächen.

Ziel: Die erhaltenen Informationen zur Verkaufschance sollen schnellstmöglich, einheitlich, übersichtlich und möglichst automatisiert aufbereitet zur Bid/No Bid-Entscheidung den zuständigen fachlichen, technischen und kaufmännischen Mitarbeitenden vorgelegt werden.

Mögliche KI-Lösung: Aufgrund der Tatsache, dass die Daten unterschiedlich vorliegen, gibt es verschiedene KI-Lösungen zur Datenerfassung und -verarbeitung. Die bereits elektronisch eingegangenen Daten (per E-Mail oder PDF) könnten beispielsweise mittels Key Value Detection analysiert und in eine Datenbank überführt werden, um sie den Mitarbeitenden schnellstmöglich, einheitlich und übersichtlich aufbereitet zur Bid/No Bid-Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Exemplarisch kann hier die Angebotsfrist genannt werden, die aus den umfangreichen Daten extrahiert und exponiert in der Datenbank hinterlegt werden kann. Verbal in einem Kundengespräch erhaltene Informationen könnten über einen Sprach­assistenten (Voice-to-text ), zum Beispiel auf der Heimfahrt, einfach und schnell eingesprochen werden. Durch Natural Language Processing (NLP) lassen sich diese sprachlichen Informationen so umwandeln, dass sie ebenfalls einheitlich und übersichtlich aufbereitet in dieser Datenbank bereitgestellt werden können. Generative Pre-trained Transformer (GPT) könnten dafür zum Einsatz kommen. Diese Modelle basieren auf Deep Learning und sind unter anderem darauf trainiert, Texte zu verstehen, zusammenzufassen, neu zu verfassen (Luber, 2021). KI bietet somit das Potenzial Verkaufschancen schneller, bequemer, automatisiert und nach festen Strukturen zu erfassen.

Herausforderung: Die Genauigkeit der Datenerfassung ist die Herausforderung. Beispielsweise erfassen Sprachassistenten Informationen, die sie verstehen und interpretieren. Fehler bei der Datenerfassung können somit unter anderem durch eine unpräzise Aussprache resultieren. Bekommt man die KI so trainiert, dass eine hohe Datengenauigkeit resultiert und keine umfangreiche manuelle Nachbearbeitung erforderlich ist, bieten diese KI-Lösungen Möglichkeiten zur Prozessoptimierung.   

KI-Technik: Key Value Detection, Voice-to-text, Natural Language Processing, Transformer

2.2 Vorqualifizierung passgenauer Verkaufschancen und Hervorheben kritischer Faktoren

Ressourcen sind rar und kostenintensiv. Aus diesem Grund gilt es Verkaufschancen möglichst passgenau nach ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit zu priorisieren und zu bedienen. Es gilt für adesso zu prüfen, ob KI bei der Datenaufbereitung von Verkaufschancen und einer möglichst exakten Priorisierung helfen kann.

Use Case: adesso besitzt etablierte Kanäle, über die Verkaufschancen eingehen. Es ent­wickeln sich jedoch stetig neue Verkaufschancen, die schnellstmöglich bewertet und bei identifiziertem Potential weiterverfolgt werden müssen. Hierbei ist es essenziell, dass man sich nicht auf jede Verkaufschance bewirbt, sondern sich die passgenauen mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit herausfiltert.

Ziel: Der Markt muss kontinuierlich auf neue Verkaufschancen überwacht und diese schnellstmöglich objektiv auf ihre Erfolgswahrscheinlichkeit hin überprüft werden.

 

 

Mögliche KI-Lösung: Im Bereich Vertrieb und Kundenbetreuung können Methoden, wie Clustering und Empfehlungen auf Basis Künstlicher Intelligenz die tägliche Vertriebsarbeit erleichtern. KI identifiziert Interessen und Potenziale bei Neu- oder Bestandskunden, um daraus neue Verkaufschancen und somit abseits der öffentlichen Kanäle Angebote zu generieren. Beispielsweise können hierzu bestehende Customer Relationship Management (CRM)-Einträge mit Kaufhistorien, Anfragen oder Kontakten durchsucht werden. Zum Einsatz können hier­bei sogenannte apriori-Algorithmen kommen, die nützliche Zusammenhänge und Regel­mäßigkeiten bei Kundenanfragen erkennen. Aus Kaufhistorien können Cluster aufgestellt werden, die neues Kaufpotenzial und passgenauere Verkaufschancen hervorbringen können (Qymatix, 2021). Aber auch externe Daten, wie Webseiten und Social Media-Auftritte können einbezogen werden, um die Kundenansprache auf den Einzelnen zu­geschnittener und konkreter zu machen (Gruhn, 2020).

Expertensysteme könnten zudem bei der Auswahl und Priorisierung von Verkaufschancen unterstützen. Systeme bewerten objektiv anhand von Fakten und lassen sich nicht von Gefühlen leiten. Würde das Expertensystem zum Beispiel neue Verkaufschancen mit bereits erhaltenen, beantworteten und im Idealfall gewonnenen automatisiert vergleichen, könnten Muster auf eine Erfolgswahrscheinlichkeit schließen lassen (Machine Learning) und die Auswahl passgenauer Verkaufschancen mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit verbessern sowie beschleunigen. Resultat wäre eine Entscheidungsvorlage mit hervorgehobenen kritischen Faktoren für das Management, die eine exaktere und schnellere Priorisierung und folglich Bid/No Bid-Entscheidung möglich machen würde.

Herausforderung: Die Existenz oder Bereitstellung einer detaillierten Datenbasis ist die Herausforderung in diesem Punkt. Sind zu wenig externe Daten oder CRM-Informationen vorhanden, kann das System keine umfassende Einschätzung/Priorisierung abgeben. Die Güte der Bewertung ist abhängig von der Menge der zur Verfügung stehenden Daten. Voraussetzung für die Vorqualifizierung passgenauer Verkaufschancen ist somit, dass eine entsprechend detaillierte Datenbasis zur Verfügung steht.

KI-Technik: Clustering, Machine Learning, Expertensysteme

3. Fazit und Ausblick

Die ersten zwei gezeigten Use Cases haben bereits verdeut­licht, dass sich auch im Bereich der Angebotserstellung mit Künstlicher Intelligenz Optimierungspotenziale heben lassen. Etablierte Prozesse lassen sich durch Systeme beschleunigen und die Daten automatisch strukturieren und erfassen. Die Automatisie­rung kann Arbeiten erleichtern, beschleu­nigen und vor allem Entscheidungen detaillieren sowie objektivieren.

So bietet KI zwar Potenziale im Bereich der Angebotserstellung, steht in der Entwicklung aber noch am Anfang. Um aktuelle Technologien optimal zu nutzen, muss grundsätzlich immer eine umfangreiche Datenbasis als Grundlage vorhanden sein. Je besser die Daten, desto besser die Analyse und Weiterverwendung dieser. KI kann immer nur auf Basis der bereits vorhandenen Daten lernen und weitertrainiert werden. Aber auch hierbei ist Vorsicht geboten. Die Datenbasis muss ausgewogen sein, um das Lernen der KI nicht durch einseitig dominierende Daten zu beeinflussen und das Risiko von Fehlinterpretationen zu erhöhen. Zudem können noch keine komplexen Transferleistungen, sondern eher standardisierte Abläufe, realisiert werden, die antrainiert sind.

Trotz dessen kann KI bereits heute als echte Unterstützung in verschiedensten Arbeitssituationen angesehen werden. Diese Potenziale sind unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten für die weiteren Phasen des Angebotsprozesses näher zu bewerten.

 

Kernthesen

- Künstliche Intelligenz bietet Optimierungspotenziale in der Angebotserstellung

- KI-Entwicklung ist noch am Anfang, es ist jedoch bereits überraschend viel möglich.

- KI-Anwendung erfordert erfüllte Grundvoraussetzungen (z.B. vorhandene Datenbasis)

 

4. Links und Literatur

 

5. Autoren

Enrico Goldschmidt ist Junior Proposal Manager bei der adesso SE und betreut in dieser Funktion den Bereich Utilities. Zuvor durchlief er das einjährige Trainee Programm für den Einstieg als Proposal Manager und unterstützte Angebote in allen Kundenbereichen von adesso. Vor seinem Einstieg im Proposal Management schloss er sein Studium als Bachelor of Science ab.

Björn Ketels ist Principal Proposal Manager bei der adesso SE und betreut in dieser Funktion den Bereich IT-Management Consulting sowie die Tochtergesellschaften. Er ist Diplom-Kaufmann und bereits seit über 20 Jahren im Bereich Informationstechnologie tätig. Neben dem Angebotsprozessmanagement schult er die adesso-Mitarbeitenden in der Angebots-erstellung und -steuerung.

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