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Wo sind die Start-ups aus Deutschland?

Während die Schweiz, die Niederlande oder Frankreich auf der CES klotzen, findet die deutsche Startup-Szene in Las Vegas kaum statt.
Frank Puscher | 16.01.2023
Die CES findet nach zwei Corona-Jahren wieder in Las Vegas statt © Frank Puscher
 

Hightech aus Deutschland drückte der CES 2023 deutlich sichtbar den Stempel auf. Volkswagen hatte sich dazu entschieden, nicht in einer der Hallen des Convention Center zu präsentieren, sondern auf dem Vorplatz, der Central Plaza. Ein Kubus in Pink, Rot und Orange erinnerte an die Kaba in Mekka und begrüßte die Besucher schon von Weitem. Und spätestens als man am Vortag der Messe den ID7 enthüllte war klar, der Besucher-Andrang am VW-Würfel würde vier Tage lang nicht abreißen. Zeitweise begehrten mehr Messe-Besucher bei VW Einlaß, als beim benachbarten Pavillon von Google. Ein Ritterschlag.

Der Messestand von VW auf der CES © Frank Puscher 


Ebenfalls am Mittwoch dem 4. Januar hatte auch BMW seinen großen Auftritt. CEO Oliver Zipse hielt die aufmerksamkeitsstarke Vorabend-Keynote, die die CES traditionell eröffnet. Zipse stellte das Konzept DEE vor, das emotionale, mitfühlende Fahrzeug, in einer historischen Linie mit dem berühmten Käfer Herbie aus den Hollywood-Filmen und KITT, dem cleveren Partner des Nightrider in der gleichnamigen Serie. Die beiden legendären Fahrzeuge waren auch teil der Bühnenshow.

Allerdings gibt es geteilte Meinungen zu Zipses Auftritt. Einzelne Medien feierten die große Show, aber viele Besucher vor Ort reagierten eher irritiert. Inszeniert wurde eine nostalgisch anmutende Liebesgeschichte, in der das Auto, also DEE, gute Ratschläge gibt und letztlich zum Happy End beiträgt. Dabei gab es eigentlich gar keine Technik zu sehen, denn DEEs Fähigkeiten beschränkten sich auf das Blinzeln mit den Scheinwerfern. Die emotionale Seite des Fahrzeugs wurde durch eine weibliche Stimme aus dem Off symbolisiert.

Grundsätzlich ist die Idee natürlich spannend, mit Hilfe von Technologie das Auto zum persönlichen Assistenten zu machen, aber man hätte schon erwartet, dass BMW das auch zeigt und nicht nur darüber spricht beziehungsweise sprechen lässt. Außerdem hatte die CTA, der Veranstalter der CES, die Messe-Themen Nachhaltigkeit, Sicherheit und Gesundheit in den Mittelpunkt des diesjährigen Events gestellt. Da muss sich BMW den Vorwurf gefallen lassen: Thema verfehlt.

Ganz anders als zum Beispiel die zweite Keynote von John Deere am Donnerstagvormittag. Da ging es um die Erhöhung der Produktivität in der Landwirtschaft und folglich auch die Bekämpfung von Hungerkrisen.

Audi hatte schon vor der CES für Aufsehen gesorgt, als bekannt wurde, dass man das System Holoride mit nach Las Vegas bringt. Virtual Reality soll das InCar-Entertainment revolutionieren. Holoride integriert auch die Bewegungen des Fahrzeugs in die jeweilige Anwendung.

Und wenn Audi und VW schon einen großen Auftritt haben, dann darf Cariad auf der CES nicht fehlen. Die Softwareschmiede aus Wolfsburg setzte auf ein cleveres Konzept: Man veranstaltete am ersten Messetag eine Minikonferenz auf dem eigenen Stand, mit Vorträgen wie “Software as a revenue driver: How we are building a new automotive ecosystem”.

Der Stand von Mercedes kann als solide bezeichnet werden. Die Schwaben inszenierten ihre elektrischen Flaggschiffe wie den EQXX zwischen schwarzen Glaswänden in der Mitte der Auto-Halle und zogen viel Aufmerksamkeit auf sich. Und man hatte eine Neuigkeit zu verkünden: Mercedes beginnt noch dieses Jahr damit, in den USA eine Ladeinfrastruktur aufzubauen. 400 Stationen mit jeweils fünf Ladesäulen sind geplant, die nicht nur Mercedes-Kunden zur Verfügung stehen. Weltweit will Mercedes 2000 Ladepunkte aufbauen.

Der Hingucker auf dem Mercedes-Stand – neben den Autos – war allerdings der Superdackel. Zweieinhalb Meter groß ist die Comic-Figur, die angelehnt ist an den ikonischen Wackeldackel aus den 60er Jahren. Der Superdackel wird auch in den Social Media Auftritten von Mercedes eine tragende Rolle spielen und ist natürlich perfekt dazu geeignet, auch in der Blockchain als NFT weiterzuleben.

Der Superdackel von Mercedes © Frank Puscher 

Da geht noch mehr

VW, BMW, Audi, Mercedes – Die starken Auftritte auf der CES in Las Vegas kamen von den industriellen Platzhirschen der Republik. Das gilt auch für die Zulieferer wie ZF, Continental und Bosch. Bosch hatte einen perfekt platzierten, großen Stand direkt hinter einem der Haupteingänge.

Aber am Beispiel Bosch lässt sich gut zeigen, dass noch mehr möglich wäre, denn auch der Stand von Bosch war eher solide als umwerfend. Mann hätte zum Beispiel Bosch-Technik noch plastischer inszenieren können. Während die Gerlinger an Glasmodellen zeigten, wo überall Bosch-Technik drinsteckt, setzen viele andere Aussteller eher darauf, Produkte zu demonstrieren, die den Nutzwert solcher Technologie plastischer erlebbar machen.

Zum Beispiel Valeo, der französische Automobilzulieferer und direkter Wettbewerber von Bosch. Die Franzosen hatten ein Außengelände gegenüber des Eingangs zur West Hall gemietet. Auch sie zeigten in Vitrinen und unter gläsernen Motorhauben, wo ihre Technik drin steckt. Gleichzeitig aber zeigten sie live, wie das Auto automatisch die Signale des Schutzmanns erkennt, wie die Windräder in der stylischen Straßenlaterne Strom erzeugen oder wie es sich anfühlt, wenn das E-Bike mit einem der stärksten Antriebsstränge auf dem Markt und Automatikgetriebe fährt.

Andere große Aussteller wie Samsung, LG oder Amazon setzen dagegen auf Start-ups, die sich auf dem eigenen Stand inszenieren. Bei LG zum Beispiel konnte man Bird.zzz testen, ein Kopfhörer-basiertes System zur Stressreduktion.

Das hätte Bosch genauso machen können. Zum Beispiel mit dem Start-up Moonbikes aus Annecy in Frankreich. Nicolas Muron, der Gründer, tüftelte fünf Jahre an einem E-Bike für Schnee. Auf den ersten Blick sieht es aus, wie eine kleine leichte Version eines Schneemobils, aber es stecken allerhand pfiffige technische Details im Innern. Und montiert wird das Moonbike derzeit von Bosch.

Chance verpasst

Das ist aber nur ein kleiner Vorschlag zur Verbesserung eines ansonsten guten Messeauftritts. Aber was aus dem bisherigen Text deutlich wird: Der Technikstandort Deutschland war auf der CES vor allem durch die Platzhirsche vertreten. Unternehmen mit über 100 Jahren Betriebsgeschichte. Aber wo sind die innovativen Mittelständler? Wo sind die kreativen Start-ups?

Ein paar waren da. Geske auf Bielefeld zeigte auf einem prominenten Stand BeautyTech und wurde für ein Produkt sogar mit dem Innovation Award der CTA ausgezeichnet. Variowell aus Münster präsentierte einen Matratzentopper, der kühlen und wärmen kann. Und auch die Augsburger Technikschmiede German Bionic räumte einen Innovation Award für ihr Exoskelett ab. Übrigens Kompliment: Drei Tage nach Ende der Messe ist die komplette Website schon umgebaut und die Aufzeichnung der CTA wird üppig inszeniert.

Und auch tolle Start-ups aus Deutschland waren in Las Vegas am Start. The Guys aus Erlangen, die im wahren Leben Schachzug heißen, platzierten sich strategisch klug neben dem VW-Kubus. An dem hatten die Franken nämlich auch mitgebaut und ein Besucher-Tracking installiert, das per Heatmap dem Messemacher zeigt, wie sich die Besucherströme bewegen.

Cynteract aus Aachen erlitt ein tragisches Schicksal: Bis zum Ende der Messe kam das Gepäck mit den Demo-Produkten nicht am Flughafen Las Vegas an. Aber man machte das beste daraus: Kurzerhand bedruckte man vor Ort Planen, auf denen die drei Produkte erklärt werden, für die das junge Unternehmen steht: eine Waschmaschine ohne Wasser, einen Therapie-Handschuh für Schlaganfallpatienten und einen Rollstuhl, der Treppen steigen kann.

Auch bei PixelFreeStudios aus Saarbrücken war man nicht ganz glücklich mit dem Messegeschehen. Zwar kamen viele Besucher in der Halle D im Hotel Venetian vorbei, aber der Stand wirkte improvisiert, lieblos. PixelFreeStudios war einer der wenigen Aussteller auf dem deutschen Gemeinschaftsstand, irgendwo zwischen einem Fraunhofer Institut und der Stadt Köln.

Dieser Gemeinschaftsstand zeigte das ganze Dilemma des Tech-Standorts Deutschland. Der Standort atmet, er lebt, er bringt viele Innovationen hervor, aber er zeigt sich nicht. Wer nach deutschen Unternehmen auf der CES suchte, der fand sie. Einzeln, verstreut und mitunter sehr unglücklich platziert: Inuru aus Berlin hatte einen sehr schicken Stand, auf dem die spannenden, druckbaren Displays gezeigt wurden. Dieser Stand steckte allerdings mitten zwischen den wilden Auftritten asiatischer Start-ups, die teilweise mit Rabatten Produkte direkt vom Stand weg verkauften. Eher eine ungünstige Platzierung.

Aber dort, wo die Musik spielte, hielt sich Deutschland raus. Das Highlight der CES ist der chaotische Eureka Park. Dort zeigen sich Hunderte von Start-ups mit teils kuriosen oder absurden Ideen, aber mit enormem Verve und viel Kreativität. Frankreich schickte allein in dieser Halle nicht weniger als 160 Start-ups ins Rennen. Insgesamt brachten die Franzosen sogar 200 Start-ups mit nach Las Vegas.

Der Messestand von Frankreich auf der CES © Frank Puscher 


Die Schweiz präsentierte sich auf einem kompakten Quadrat, das in grellem Pink gehalten und nicht zu übersehen war. 23 Start-ups standen Schulter an Schulter und zeigten die unterschiedlichsten Lösungen, vom Auditing-System für KI-Daten bis zur Augmented Reality Brille für Skifahrer. Man leistete sich eine gemeinsame Pressearbeit, die zuverlässig dafür sorgte, dass der Tech-Standort Schweiz in den Medien erschien (so auch hier).

Der Messestand der Schweiz auf der CES © Frank Puscher 


Oder die Nachbarn aus dem Westen. Die Niederländer waren mit zwei Oranje-Ständen angetreten. Und wie die Niederländer so sind, hatten sie ihre Hotels einen Tag länger gebucht, damit sie noch feiern konnten. Übrigens: Das Procedere zur Teilnahme an der CES für niederländische Start-ups war ziemlich einfach. Nach erfolgreicher Bewerbung überwiesen die Start-ups 2000 Euro als Kostenbeitrag und erhielten Anweisungen, wann sie sich am Flughafen einzufinden haben.

Der Messestand der Niederlande auf der CES © Frank Puscher 


Belgien feierte die erfolgreichste CES aller Zeiten. Die Türkei hatte einen wunderschönen Gemeinschaftsstand mit Vortragsbühne. Indien hatte den gleichen Fertigstand gebucht, wie die Deutschen, aber dann auch noch schön dekoriert. Und selbst die Ukraine glänzte mit einem Auftritt in Landesfarben.

Fazit

Es ist enttäuschend zu sehen, dass es offensichtlich nicht gelingt, Deutschland im Ausland als Technikstandort zu inszenieren. Initiatoren müsste es doch genügend geben. Das können Fachverbände sein, Messeveranstalter oder die diversen Fördergesellschaften für den Mittelstand, die es in Deutschland gibt. Die CES genießt so viel mediale Aufmerksamkeit, dass sie eine perfekte Plattform ist, um Start-ups den Zugang zum US-Markt zu eröffnen.

Oder den Zugang zu internationalem Kapital. Das wird hierzulande dringend gebraucht, weil die Geldströme für Start-ups in den letzten drei Jahren zusehends dünner geworden sind. Erste Technik-Start-ups wie die Ella AG (eigentlich aus Köln) wanderten bereits in die Schweiz ab.

Oder eben Zugang zu neuen Arbeitskräften. Die CES ist voll von technik-begeisterten Menschen, die zweifellos gerne auch mal ein paar Jahre zwischen Boden- und Ostsee arbeiten würden. Das aber nur, wenn Sie wissen, dass es dafür hier auch Möglichkeiten gibt. Und diese Möglichkeiten muss man zeigen. Es herrscht ein internationaler Wettbewerb um Talente. Wenn Verkehrsminister Wissing von der CTA einen Preis für die Innovationsfreundlichkeit Deutschlands entgegennimmt, dann hat das einen schalen Beigeschmack.

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Über Frank Puscher

Frank Puscher ist Journalist mit über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung.