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Virtuelle Influencer – ein neuer Grad der Perfektion

Eine vielversprechende Marketingalternative oder doch nur ein kurzfristiger Hype?
marketing-BÖRSE | 26.08.2020
Virtuelle Influencer – ein neuer Grad der Perfektion © Screenshot: Instagram / lilmiquela
 

Ein Beitrag von der Redaktion der marketing-BÖRSE

 

Die perfekte Inszenierung – damit lässt sich Instagram am besten beschreiben. Es handelt sich schon lange nicht mehr um einfache Fotos, sondern um bis ins kleinste Detail durchgeplante Projekte der Influencer. Nicht nur Location und Outfit müssen harmonieren, der Gesichtsausdruck und die Pose spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. In den letzten Monaten hat diese Inszenierung mit den virtuellen Influencern einen neuen Grad der Perfektion erreicht.

Während Bermuda von ihrer gestrigen Partynacht berichtet und Champagner gegen Kaffee austauscht, veröffentlicht ihre beste Freundin Lil Miquela ihren neuen Song und ihr gemeinsamer Kumpel Blawko22 verkündet, dass er Part einer neuen Kampagne ist.

Ein ganz normales Influencerleben? Nein, ganz im Gegenteil. Die drei sind keine echten Menschen. Sie sind virtuelle Influencer und bestehen folglich nur aus Nullen und Einsen. Geboren wurden die drei Freunde von dem Tech -Start-up Brud.

Mit „Realität“ und „Authentizität“ zum Erfolg

Bei virtuellen Influencern handelt es sich um computergenerierte Figuren, die auf den ersten Blick nicht von realen Personen zu unterscheiden sind. Genauso wie ihre menschlichen Kollegen posten sie regelmäßig Beiträge, zeigen sich mit ihren Freunden oder auch mit Prominenten auf Events. Mit solch einem 3-D-Model können realistische Beiträge und kurze Videos erstellt werden.

Während Influencer versuchen, das perfekte Bild zu schaffen, legen virtuelle Influencer besonderen Wert auf Menschlichkeit. Sie posten unscharfe Bilder oder welche auf denen sie nicht perfekt getroffen sind. Alles soll möglichst authentisch wirken.

Hautnah bei allen Aktivitäten dabei sein und den Alltag miterleben: Das erwarten die Follower von den Influencern. Sie wollen bei der vermeintlichen Realität hautnah dabei sein. Virtuelle Influencer können dies ebenfalls bieten, jedoch ist der Aufwand in der Produktion deutlich höher. Sie schaffen es, durch „Spontanität“ und „Nähe“ Realismus zu vermitteln. Schlechte Angewohnheiten, die persönliche Einstellung und Schwächen helfen dabei, Glaubwürdigkeit zu vermitteln.

So setzt sich Lil‘ Miquela für Flüchtlingsorganisationen, Gun Control und viele weitere sozial engagierte Verbände ein [1].

Die Modebranche war die erste, die die Roboter effektiv eingesetzt hat. Vor allem große Marken haben hier neue Möglichkeiten für sich entdeckt. Lil‘ Miquela arbeitete nicht nur für Marken wie Samsung, Chanel und Diesel, sondern war auch zusammen mit dem Topmodel Bella Hadid Teil einer Calvin-Klein-Kampagne.

Inszenierung der Extraklasse

Mit seinen Kreationen hat das Start-up ins Schwarze getroffen. Lil‘ Miquela ist mit aktuell 2,5 Millionen Followern mit Abstand die erfolgreichste virtuelle Influencerin.

2016 tauchte sie das erste Mal auf Social Media auf. Mit Promo-Aktivitäten für Modemarken wie adidas, Kenzo oder Prada verdiente sie ihr Geld. 2017 trat sie dann als Musikerin in Erscheinung.

Das Besondere: Erst zwei Jahre nach ihrem erstmaligen Erscheinen erfuhren ihre Follower auf spektakuläre Weise, dass sie nur ein Roboter ist.

2018 entstand ein Streit mit einer vermeintlich anderen Influencerin, die sich in Lil‘ Miquelas Account hackte und sie somit zu einem Outing zwang. Diese Influencerin ist keine geringere als ihre aktuell beste Freundin Bermuda.

Eine perfekte Inszenierung des Tech Start-up Brud. Sie haben nicht nur eine virtuelle Influencerin geschaffen, sondern auch ihre Freunde und Feinde: Ein „echtes“ Leben mit allen Ecken und Kanten.

Ein Fulltime-Job

Virtuelle Influencer sind Kunstfiguren, die nach den Vorstellungen von Menschen kreiert und schlussendlich auch kontrolliert werden. Täglich neuen Content bereitzustellen wird hier zu einem regelrechten Fulltime-Job. Die Produktion eines Fotos oder gar eines Videos ist sehr zeitaufwendig. Der von den Machern inszenierte Lifestyle darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, um ein möglich authentisches Erscheinen zu schaffen.

Wichtig ist, dass der Content einer gewissen Planung folgt und den Lifestyle und den Charakter des virtuellen Influencers repräsentiert. Für Autoren könnte sich hier ein neues Berufsfeld ergeben. Sie können eine auf den Influencer zugeschnittene Story schreiben.

Durch die Erfahrungen als Buchautor können die Roboter von ihrem Know-how profitieren, was möglichst viel Authentizität verspricht.

Vielseitig und flexibel

Die Roboter können sehr vielseitig eingesetzt werden, da sie problemlos in die gewünschten Szenarien eingebaut werden können. Nicht nur Pose und Outfit können verändert werden, auch die Location kann den Wünschen angepasst werden.

Des Weiteren können sie einfacher kontrolliert werden. Die Marke hat gänzlichen Einfluss auf die Inszenierung ihres Produkts, die Bewertung und die Empfehlung, die der Influencer ausspricht. Dieser Einfluss kann die Influencer jedoch weniger glaubwürdig erscheinen lassen. Die Transparenz geht verloren. Warum sollte man als Kunde auf eine Empfehlung vertrauen, die vom Unternehmen selbst gesteuert ist?

Zielgruppengenau

Unternehmen können virtuelle Influencer exklusiv für sich entwickeln. Der Influencer kann somit genau an die Werte des Unternehmens und die Zielgruppe angepasst werden. Durch diese zielgruppengenaue Ansprache und die neuen Möglichkeiten auf Social Media, können mehr Kunden erreicht werden. Die Marke hat ein Gesicht, das sie repräsentiert und nicht noch für andere Marken wirbt, wie es oft bei echten Influencern der Fall ist.

All das verschafft den virtuellen Influencern einen großen Vorteil gegenüber ihren Kollegen aus Fleisch und Blut

Ein gelungenes Beispiel liefert die Fast-Food Kette Kentucky Fried Chicken (KFC). Für ihre Social-Media-Aktivitäten haben sie ihren Gründer wieder zum Leben erweckt, der vor 40 Jahren verstorben ist [2].

Nähe trotz emotionaler Distanz

Was den virtuellen Influencern fehlt ist das Empfindungsvermögen, was bei genauer Betrachtung der Kommentare deutlich wird. Trotz dieser „Distanz“ haben die Follower keine Scheu sich gegenüber dem Influencer zu öffnen oder ihre Meinung preiszugeben. Sie finden Gefallen an dem unechten Leben mit allen Geschichten und Facetten und wollen ein Teil des Ganzen sein.

Zukunftsmusik oder doch nur ein temporärer Hype?

Wer jetzt auf virtuelle Influencer setzt, dem ist Aufmerksamkeit garantiert. Diese Art des Influencer-Marketings ist ein neues Phänomen, das noch nicht weit verbreitet ist. Mit der Zeit wird dies jedoch zur Normalität, was bedeuten könnte, dass der Hype auf lange Sicht wieder abflacht.

Die Perfektion, die die Follower heute noch fasziniert, kann morgen wieder uninteressant werden. Und das Verlangen nach mehr Menschlichkeit wird größer. Die virtuellen Influencer müssen mit den Followern in Interaktion treten und menschlich werden, um ihnen Transparenz und Vertrauen zu vermitteln.

Trotz allem setzen vor allem große Marken auf visuelle Models, wodurch virtuelle Influencer an Relevanz gewinnen.

Follower werden schon seit geraumer Zeit mit perfekten, makellosen Bildern konfrontiert. Was ist auf Instagram noch echt? Entspricht überhaupt noch irgendwas der Realität? Fakt ist, dass die Veränderung der Realität nicht erst mit den virtuellen Influencern begonnen hat.

 

Credits:

[1] W&V https://www.wuv.de/tech/sind_virtuelle_influencer_der_naechste_heisse_sch

[2]  https://t3n.de/magazin/unechte-models-virtuelle-erobern-249369/

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